Gott sei Dank: Was kann denn der Untersuchungsgefangene dafür, wenn die Gerichte angeblich heillos überlastet sind. Ein fester Erfahrungswert ist es: U-Haft, ein halbes Jahr ist fast vergangen, eine Hauptverhandlung ist aber nicht in Sicht.
Der Gefangene hat als unschuldig zu gelten, eine Fortdauer der Haft kann deshalb unzumutbar erscheinen.
Aber regelmäßig wird durch das Oberlandesgerichte dann die Fortdauer angeordnet und damit entschuldigt oder gerechtfertigt, dass trotz Ausschöpfung aller organisatorischer Maßnahmen im Behördenbetrieb, wie z. B. auch der Einrichtung einer weiteren Strafkammer, die Kapazität nicht hingereicht hätte, in einer Haftsache zur Hauptverhandlung zu terminieren. Deshalb bleibe es bei der Einsperrung.
Rechtsprechung Strafrecht: Überlastungssituation
In einem dem Oberlandesgericht Zweibrücken vorgelegten Sachverhalt stellte das Gericht darauf ab, dass die zur Entlastung getroffenen Maßnahmen „nunmehr wieder eine angemessene“ Bearbeitungsdauer für die neu eingegangene Verfahren gewähren würden. Dem hat das Bundesverfassungsgericht dankenswerterweise einen Riegel vorgeschoben.
Motto: wer will so in die Zukunft sehen können. Der Blick sei nicht nach vorne zu richten, sondern in die Vergangenheit. Die Justizverwaltung sei dafür verantwortlich, dass eine länger andauernde Überlastungssituation gar nicht erst eintritt. Ansonsten müsse der Beschuldigte und (Untersuchungs-)Gefangene eben entlassen werden.
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.12.2017).
Wer sich zum Zweck eines Entzugs schon in einer Therapieeinrichtung befindet und dann über eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung an sich einen Vorwegvollzug zu erdulden müsste, will ungern in den Strafvollzug wechseln. Das ist nur zu verständlich.
Rechtsprechung Strafrecht: Therapieeinrichtung und Justitzvollzugsanstalt
Hier ist ein Ermessenspielraum für die Gerichte gesetzt nach § 67 Abs. 2 S. 2, 3 StGB. Demnach hat bei einer Anordnung der Unterbringung in eine Erziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren das zuletzt tätige Gericht auszuweisen, ob bzw. ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dabei handele es sich eben um eine „Soll-Vorschrift“; das hat der BGH nunmehr deutlich betont. Dem Gericht würde sehr wohl im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet, bei aktuell dringender Therapiebedürftigkeit an dem Vorwegvollzug der Maßregel festzuhalten, wenn dadurch augenscheinlich der Sicherung eines Therapieerfolgs gedient würde. Eine bereits begonnene Behandlung zu unterbrechen und dadurch ggf. angelaufene Maßnahmen und Teilerfolge durch Rückverlegung in die Justizvollzugsanstalt möglicherweise wieder zu Nichte zu machen, laufe dem Gesetzeszweck entgegen.
In der Praxis wird es auf die im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung einschlägigen medizinischen Beurteilungen ankommen müssen. Der Umstand einer gesundheitlichen Schädigung des Verurteilten im Zuge seiner jahrelangen Drogenabhängigkeit kann per se nicht genügen, sondern es bedarf sozusagen eines Aufrufs zu einer sofortigen bzw. unbedingt fortzusetzenden Einwirkung in der Anstalt.
Es wird aber abzuwarten bleiben, ob sich die Untergerichte, die hier i. d. R. eher zurückhaltend waren, diese Inpflichtnahme des BGH zu Herzen nehmen werden (BGH, Beschluss vom 09.11.2017).
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